Schläft ein Lied in allen Dingen
Joseph von Eichendorff
die da träumen fort und fort,
und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort.
Vorspiel
Als ich fünfzehn Jahre alt war, spielte mir das breit grinsende Schicksal einen hochwertigen alten Telefunken Receiver aus dem Hausstand meiner Großmutter in die Hände. Im eher pflichtschuldigen Versuch, etwas sinnvolles Ganzes daraus zusammen zu wurschteln, kratzte ich meine spärlichen Pennäler-Groschen zusammen und kaufe nach einiger Recherche ein paar unverschämt günstige Dali Standboxen aus dem Ausverkauf eines insolventen Hifi Händlers aus Berlin. Nachdem noch ein alter CD Player angeklemmt ward, wurde schlagartig offensichtlich, dass mein Hirn mit diesen verbesserten Eingangssignalen große Dinge anfangen konnte. Ich erinnere mich an kaum etwas so von den Jahren unverklärt klar wie an die ersten Takte von Keziah Jones ‚Where’s Life‘ auf dem schicksalsschwangeren neuen Spielzeug. Die Welt im Hintergrund wurde leise und verschwand sodann völlig. Plötzlich war alles Musik. Es schlug laut vernehmlich Kugelblitze und Lichtbögen auf meiner Synapsenklaviatur, als ein Dopamin-Tsunami der Sumatra-Klasse unvorbereitet an sie anbrandete und mein ganzes Hirn einfach überspülte. Nur 4:51 Minuten später war ich hoffnungslos süchtig. Nicht nach Musik per se, Musik war schon immer unverzichtbar für mich gewesen – sondern nach einer Wiedergabe, die der Musik wirklich angemessen ist. Die sie ihr Potential entfalten lässt. Von einer Zusammenstellung demiarkaner elektromechanischer Bauteile, die aus nettem Geklimper ein einmaliges Erlebnis zaubern kann, das alle Sinne berauschen, einen aus der Welt reißen und auf eine Reise in den Mittelpunkt seiner selbst und an den Rand des Kosmos schicken kann, wie sonst nichts anderes auf dieser Welt. Heroin vielleicht mal ausgenommen.
Das Problem, wenn man 15 ist und eine Begeisterung für Hifi entwickelt, ist dem nicht unähnlich, wenn man 15 ist und anfängt, sich für Mädchen zu interessieren. Man hat eine Ahnung, dass da Großes zu haben wäre, aber es ist firm und sicher außerhalb der Reichweite der eigenen Möglichkeiten. Natürlich saugt man alles an Informationen dazu auf, was man nur kriegen kann, schlägt sich die Nächte um die Ohren und verzehrt sich nach dem, was da sein könnte. Und manchmal, hier wie dort, schält sich endlich aus dem tobenden Chaos ein Weg, der, genug jugendlichen Übermut vorausgesetzt, tatsächlich zum Ziel führen könnte.
Wenn man einen hohen Anspruch aber kein dazu passendes Kapital hat, so stellte sich raus, ist fast in jedem Gebiet besagter Weg: Selbst machen. Es ist für mich immer wieder erstaunlich, welche Qualität man mit ein bisschen Recherche und Mühe selbst im Erstversuch erreichen kann. Man muss es einfach nur machen. Um es mit Mario Terrone aus einem leider viel zu obskuren Munchies Video zu sagen: Everything man can do, you can do.
So wurde denn meine Studenten-Wohnung über die nächsten Jahre zum wiederkehrenden Schauplatz verschiedener Lautsprecher- und Verstärker-Projekte. Ich baute ADW Duettas für mich und noch etliche Lautsprecher mehr für Freunde, einen EAR 834P Clone, SymAsym Endstufen und Williamson KT88 Endstufen, modifizierte an meinem CD Player herum, restaurierte einen Dual 724 und bastelte sogar aus CAT Kabeln Lautsprecher- und Cinch-Kabel – und war schließlich tatsächlich ziemlich glücklich mit dem Ergebnis. Meinem bescheidenen Budget war eine sehr respektable Klangdusche entstiegen, die weit besser tat, als ich mir das vorher hätte träumen können. Anders als die meisten Hifi Enthusiasten, die ich über die Jahre kennen gelernt habe, kann ich mich durchaus zurück lehnen und die Finger von den Sachen lassen – eigentlich geht es mir ja ums Musikhören, das Rumgebastel ist kein Selbstzweck, sondern ein Hammer, der den Nagel in die Wand will.
Dieser Artikel wäre jetzt aber ein bisschen antiklimaktisch, wenn das tatsächlich wirklich dauerhaft so geblieben wäre. Für meine Verhältnisse währte der Frieden fast eine Ewigkeit lang, einen ganzen Lebensabschnitt und noch ein bisschen mehr. Aber ach! Zehn Jahre später wohne ich in einer anderen Stadt, gehe einem halbwegs ehrbaren Handwerk nach, habe einen Bart und ein paar Töpfe Gold im Keller – und plötzlich meldet sich die altbekannte Stimme in meinem Kopf. Ich trete in aussichtslose diplomatische Gespräche mit meinem marodierenden Willen, Dinge zu verbessern. Nach einer kurzen, heftigen und für meine Haushaltskasse vollständig aussichtslosen Auseinandersetzung wird man sich also einig: Wir fassen jetzt noch ein einziges Mal alles an, bevor so lästige Dinge wie ein stringenter Lebensentwurf das gedankenlose Ausgeben größerer Mengen Geld erschweren könnten. Einen Kleinen noch, dann ist aber Schluss. Da stehen wir also zusammen vor etwa vier Jahren, werter Leser, und stürzen Kopf voran in die wilde und undurchsichtige Welt des Premium Hifi.
Außer im Parlament wird nirgendwo so viel geschönt, so viel geprahlt und gelogen, so viel Zinnober und himmelschreiender Mummenschanz getrieben wie im gehobenen Hifi Segment. Und nirgends findet man entsprechend so gewaltvoll entwaffnende, schillernde Aufklärer als notwendige Reaktion. Das Feld ist riesig und hart umkämpft, ist hier nicht nur irre viel Geld zu verdienen, sondern handelt es sich eben auch um den Schauplatz von echten, tiefgreifenden, bewegenden Emotionen – die des Musikhörens. Andere Hobbies kommen da ihrer Natur halber einfach nicht mit. Im Interesse der Verkäufer ist natürlich eine entschiedene globale Stimmung der Relativität. Es gibt nicht schlecht, sondern nur anders, aber hauptsächlich gibt es nur gut und besser. Jedem gottfürchtigen deutschen Christen treibt das natürlich die schwarze Galle hoch und die Prügellust in den Arm, da die Realität offensichtlich nicht nur hohe Höhen, sondern auch menschliche wie technische Tiefen kennt. Die Reaktion ist recht vorhersehbar: Man sucht nach Quellen objektiver Analyse. Man klammert sich daran in Anbetracht des Chaos. Die Crux daran, wie ich nach vielen Jahren schmerzlich und teuer lernen musste, ist: Den kalten Fakten fehlt die eine Sache, für die man eigentlich überhaupt da ist: Magie.
Wer längere Zeit Top Gear geschaut hat, konnte dem Autojournalismus-Veteranen James May dabei zusehen, wie über die Jahre Zahlen auf dem Papier mehr und mehr zu reinen Randnotizen degradiert wurden, untauglich, den Kern der Sache in irgendeiner bedeutungsvollen Art zu illustrieren. Von Test zu Test, von Film zu Film dringt er näher zum zusammengedampften Nucleus der Sache vor: Does it give me The Fizz? Also: Knistert es? Stellen sich meine Nackenhaare auf? Ist es aufregend, zaubert es mir ein Lächeln ins Gesicht? Nach zahllosen Nächten in den Tiefen von Hififoren und Publikationen, dutzenden Messen und Händlerbesuchen, einem steten Strom von zentnerschweren geliehenen und gekauften Strommöbeln, die sich eine Ameisenstraße die vier Geschosse bis in und aus meinem Wohnzimmer wieder zurück bahnten, musste ich mich von der Vorstellung verabschieden, dass man den Gott der Sinnesfreuden in Diagrammen finden kann. Soviel zu dem aufgeklärten Naturwissenschaftler in mir. Es schreibt für Sie ab jetzt der Hedonist, der den Dingen ihren Zauber zu lassen gewillt ist.
Natürlich verbietet sich hierdurch ein Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Meine Argumente sind die der minderwertigsten Dialektik, der aus dem subjektiven Gefühl argumentierenden. Aber es ist einfach die schlechteste außer allen anderen, und alles, was wir am Ende wirklich haben. Das heißt nicht, dass technische Überlegungen vollkommen nutzlos wären, sie sind hilfreich für die Vorauswahl. Aber am Ende muss man sich die schlichte Frage stellen: Ist es geil? Und dann so unabhängig von Preisschild und Erwartung wie möglich versuchen, ehrlich mit sich in dieser Frage zu sein. Das ist vermutlich die perfekte Stelle um vorzugreifen: Wo wir in wenigen Absätzen ankommen werden, ist es RICHTIG geil.
Der Verstärker
Ich stellte ziemlich früh fest, dass mich Transistorverstärker trotz all ihrer technischen Überlegenheit nicht begeistern. Ja, sie können im Bass Dinge leisten, die Röhren einfach nie hinbekommen werden. Dafür ist überall da, wo nicht nur Rhythmus, sondern der Rest der Musik passiert, nicht viel los. Es perlt nicht. Am Ende war ich einmal durch den gesamten Wald der technischen Möglichkeiten gestolpert und kam da an, wo der vorhersehbare Endpunkt schon lange gewinkt hatte: Die Leistungstriode.
Röhren sind in ihrer einfachsten Form zwei Platten im Vakuum, zwischen denen ein Gitter liegt. Zwischen den Platten erzeugt eine Spannung ein elektrisches Feld, in dem von einer Glühwendel erzeugte Elektronen fließen können. Legt man am Gitter eine Spannung an, steuert dies den Strom der geladenen Teilchen. Hiermit kann ein kleines Steuersignal am Gitter in laute Musik verwandelt werden. Diese einfachste Form der Röhre nennt sich Triode und genau diese einfachste Bauart ist die, der schon seit der Erfindung des Feuers die größte Menge von diesem flüchtigen je ne sais quoi zugeschrieben wird, nach dem es mich so dürstet. Die Nachteile sind so zahlreich wie offensichtlich: Leistungstrioden selbst sind sehr teuer, die Verstärker auch und dabei noch bockschwer, sie verbrennen dank Class A Betrieb ihre maximale Leistung dauerhaft in den begeisterten Raum hinein und liefern am Ende trotzdem ziemlich wenig Leistung. Leider stimmt das dumme Vorurteil aber. Sie klingen ärgerlicherweise unfassbar gut. Man seufzt resignierend und arrangiert sich mit seinem Schicksal, das wieder einmal wie ein quengelnder Fünfjähriger auf der teuersten, anstrengendsten und unpraktischen Lösung besteht.
Es gibt eine überschaubare Menge Hersteller dieser etwas obskuren Apparaturen. Die westlichen Manufakturen lassen sich das Geldäquivalent von Kleinwagen reichen, um einen mit dem kunstvoll verpackten Kabelsalat auszustatten. Leider reden wir hier über Arbeitsspannungen, die selbst mir mit meiner fröhlich ignoranten can-and-fucking-will-do-Einstellung zu gefährlich sind. Außerdem gebrach es merklich an der im Studium noch so reichlich vorhandenen Freizeit. Es würde also gekauft werden müssen. Man muss schon so blind wie verblendet sein, um nicht mitgeschnitten zu haben, dass es eine Handvoll sehr hochwertiger chinesischer Hersteller von Röhrenverstärkern gibt. Mingda Meixing, Cayin und Line Magnetic sind hier insbesondere zu nennen. Alle stellen ihre Gehäuse und Übertrager (die qualitätsbestimmendsten Bauteile eines solchen Verstärkers) selbst her. Die Wahl fiel auf Line Magnetic, die sich ganz besonders auf Leistungstrioden und alte Western Electric Technik spezialisiert haben. Die Bauqualität ist schlicht der Wahnsinn. Im Direktimport aus China spart man über 60 Prozent gegenüber den europäischen Händlern. Ich probierte mich teils kaufend, teils leihend durch das gesamte Angebot des Herstellers. Die Wahl fiel klar auf den Line Magnetic LM-219IA (technisch identisch mit dem LM-845 Premium). Die Höllenmaschine wiegt 55kg und verbrennt dauerhaft 400W. Dafür wird sie nicht nur die nächsten drei großen terranischen Kataklysmen ohne Kratzer überstehen und ist aufgrund ihrer hochwertigsten Handverdrahtung problemlos zu reparieren, sondern bietet mit ihrem klassischen WE-Arrangement von 310A, 300B und 845 Röhren in der Endstufe einen festen, definierten Bass, großartige Balance und unerreicht bezaubernde mittlere Höhen und Höhen. Die Vorstufe ist eine simple einzelne 12AX7, die ihren Job überraschend gut macht, wie wir noch sehen werden. Man kann sie aber samt dem Lautstärkeregler ganz einfach bypassen, so man möchte.
Lautsprecher
Und aus A folgt dann auch B. Wenn man eine Triode will, dann muss man sich mit der geringen Leistung arrangieren, indem man sich Lautsprecher mit einem extrem guten Wirkungsgrad sucht, heißt: Aus wenig Saft wird viel Bumms. Diese werden in vielen Fällen baulich große Abmessungen haben, weil die Physik sich allen Versuchen zum Trotz immer noch stetig weigert, sich bescheißen zu lassen. Aber immerhin gibt es einen Vorteil: Empfindliche Lautsprecher verhalten sich in meiner Erfahrung nicht unähnlich wie sehr leichte Autos: Bei einem identischen Leistungs-Gewichts-Verhältnis steppt der Bär bei einem Caterham, der ungefähr das Gewicht eines erwachsen gewordenen Bobbycars ins Feld bringt, drastisch beseelter, als beispielsweise bei einem Audi RS3 mit dem dreifachen Abtropfgewicht. Letzterer mag schneller von der Linie kommen, aber der aufmerksame Leser ahnt es schon: Geil ist es halt nicht. Nichts habe ich mehr probegehört als Lautsprecher, ist am Ende doch kein Bauteil der Kette so entscheidend für den Klang. Ich war bereits an einem Punkt angekommen, der mit säuerlich enttäuscht mehr als wohlwollend umschrieben ist. Ich hatte mich innerlich damit angefreundet gehabt, einen relevanten fünfstelligen Betrag in Schallwandler anzulegen – und trotzdem jagte eine Enttäuschung die nächste. Die schlimmsten Tiefschläge waren sicherlich Living Voice, die mir als außergewöhnlich emotionale Lautsprecher angepriesen worden waren, sich aber als extrem analytische und leblose Studiomonitore herausstellten, und die fast universell angepriesenen DeVore O/96, die zwar betörend schön sind, aber in mehreren Räumen an verschiedenen Verstärkern keinen brauchbaren Bass zu produzieren im Stande waren und mir darüber fast das Herz gebrochen hätten.
Es war einer dieser wohl unvermeidbaren komischen kosmischen Zufälle – das Universum grinst ja bekanntlich fast immer, wenn man nur hin guckt -, dass ich just am deprimierenden Apex meiner Enttäuschung den Lautsprechern aus dem Hause Klipsch über den Weg taumelte. Plötzlich war da nicht nur Hoffnung, sondern die fassbare Begeisterung eines frisch Verliebten. Ein ephemeres Knistern lag in der Luft. Ich wusste sofort, dass das etwas sein konnte. Einen kurzen und sehr netten wie produktiven Kontakt mit Hifi Schluderbacher später (die ich expressis verbis hierfür loben will) durfte ich mit meinem gebeutelten Kollegen endlich zwei Klipsch Cornwall IV die steilen Altbautreppen hoch fluchen. Es sind nicht nur die 45kg, die jede Box wiegt – es sind die handlichen Abmaße von 97 x 65 x 40, die ihnen in Verbindung mit ihrem eleganten Design den liebevollen Spitznamen ’singende Kleiderschränke‘ eingebracht haben. Man muss wohl das Positive daran sehen: Im Wald, da sind zwar die Räuber – aber meine Stereoanlage werden sie niemals stehlen.
Wer jetzt dachte, dass sich endlich mal ein Punkt gefunden hätte, wo die Lösung nicht am Ende einen bitteren Beigeschmack hätte, der irrt leider. Zwar sind die Lautsprecher bei weitem nicht so teuer wie beispielsweise die erwähnten DeVore – man bekommt für die trotzdem immer noch substanzielle Menge an hierfür abzutretenden Devisen eine überragend miese Bauqualität der Gehäuse. Wenn diese Boxen nicht so wahnsinnige Sexmaschinen wären, man müsste sie dem Hersteller mit Verve um die Ohren hauen. Ich habe noch nirgendwo so schlechte Furnierverarbeitung und Lackierung gesehen, die Rückseiten und Schallwände sind einfach schwarz strukturgelackte Holzpanele, die billigen PA Boxen gemahnen. Die Straße hoch und runter schämen sollten sie sich in Indianapolis. Aber – wo die Liebe hinfällt. Sie können etwas, das andere nicht können, und sie wissen es scheinbar. Ich beuge mich noch ein bisschen tiefer und lege Geld für neue Gehäuse in der Zukunft beiseite.
Vorverstärker
Das Internet (™, rechtlich geschützt) war sich einig: Der Line Magnetic LM-219IA profitiere schwer von einem guten Vorverstärker, so prophetete es mir mehrstimmig entgegen. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, einen selbst zu bauen, kapitulierte aber vor den multiplen Baustellen eines komplexen regulierten Netzteils, einer Fernsteuerung samt hochwertiger motorisierter Lautstärkeregelung und nicht zuletzt dem Bau eines wirklich schönen Gehäuses. Die Botschaft hör ich wohl, auch am Glauben fehlt’s nicht, aber an der Zeit haperte es geräuschvoll. Nach einer eher widerwilligen Recherche und der Feststellung, dass es hier kaum gute Informationen geben würde, und dass weiter noch die Möglichkeiten, die Kandidaten zu leihen, nicht bestanden, drückte ich, nach einem besonders heftigen 24h-Dienst mit dem zweiten Old Fashioned in der Badewanne sitzend, trotzig auf den Knopf. Ich halte extrem viel von Line Magnetic, also kaufte ich einfach auch ihren Vorverstärker LM-512CA samt einem Schwung der schwierig zu bekommenden obskur-klingonischen Röhren, die seine schlagenden Herzen sind. Die ganze Übung kostete mehr als der Vollverstärker. In aller Kürze: Das war die verzichtbarste Ergänzung der ganzen Anlage. Der Benefit ist sehr dezent. Kann man sich gut sparen.
Streaming Player und DAC:
Die Realität des Alltags hatte sich schon in den Jahren zuvor selbst klar gemacht: Zwar höre ich gerne Platten, genieße das aktive und ritualisierte Hören eines ganzen Albums – faktisch läuft aber 90 Prozent der Musik über einen Streaming Dienst. Ein ordentlicher Streaming Player ist daher Pflicht. Diese Geräte können selber Streaming Dienste wie Spotify, Deezer oder Apple Music laufen lassen und brauchen keine ständige Bluetooth Verbindung mehr – also keine Qualitätsschwankungen oder Signalabbrüche und keine leer gesaugten Handy Akkus mehr. Sie bekommen über andere Geräte im Netzwerk lediglich den Hinweis, was sie abspielen sollen, und sind direkt über die Streaming App ansteuerbar. Praktischeres wurde selten erfunden. Mir war wichtig, dass er vor allem vollkommen problemlos funktioniert, was mit Netzwerkgeräten, die einerseits mit dem WLAN und andererseits den Streamingprogrammen von Android und Apple Geräten interagieren müssen, gar nicht so selbstverständlich ist. Dass ich auch Lautstärkeregulierung über den Streamer will, schloss leider die sonst sehr gut anmutenden und bezahlbaren Yamaha Geräte aus. Die Wahl fiel auf einen inzwischen weithin bekannten Favoriten, den Bluesound Node 2i. Er ist kompakt, einigermaßen bezahlbar und leistet gute Dienste, ich bin zufrieden. Die neuere Version, der N130, machte am Anfang Mucken, hat sich aber inzwischen weitestgehend gefangen.
Ein Streaming Player spuckt einem bei Bedarf auch direkt ein verwertbares Audiosignal aus, aber wenn man die beschriebene Menge Aufwand treibt, dann versteht es sich, dass das Signal von einem seperaten DAC gewandelt wird. DAC steht für Digital-Analog-Converter, also ein Gerät, was aus den Einsen und Nullen der Computersprache ein hörbares Geräusch zaubert. Hierbei ist nicht nur die Wahl des Wandler-Chips und dessen hochwertige Beschaltung wichtig, sondern auch, dass die Verstärkung des mikroskopischen Signals dieses Chips in ein verwertbar lautes nicht von einem OP Amp erledigt wird, also integrierten kleinen Chipverstärkern, die man für fünf Pfennige aus dem Kaugummiautomten bekommt. Erektionsförderlich hat sich hier der Begriff ‚diskrete Verstärkerstufe‘ herausgestellt. Sind diese Bedingungen erfüllt, so gebe ich freimütig zu, dass sich in meinen Ohren verschiedene DACs nicht mehr viel geben. Ich empfehle dezidiert die Firma Gustard, die zwar recht nebelig in ihrer Provenienz ist, es besteht aber keinerlei Zweifel, dass sie ihr Handwerk extrem gut beherrschen und dem Endverbraucher ein wahnsinnig gutes Preis-Leistung-Verhältnis bieten. Außerdem liegt der Name schmackhaft nah an Mustard, das ist ja auch was wert. Dass ich mich am Ende gegen ihr Topmodell, den X26 Pro, und für den Doge Audio DAC 7 entschieden habe, fußte stumpf darauf, dass letzterer einer Röhrenverstärkung hat, was der Gustard mit Transistoren erledigt. Ich mag Röhren eben einfach. Inzwischen habe ich den X26 Pro auch. Höre ich einen Unterschied? Naja. Vielleicht ein bisschen, wenn ich es wirklich will.
Plattenspieler
Ich war die längste Zeit davon ausgegangen, dass ich wenigstens meinen Plattenspieler würde behalten können. Immerhin handelt es sich bei dem 724 mit um das beste, was Dual je gebaut hat, die Konstruktion ist aufwändig und hochwertig umgesetzt. Das Ding hat seinerzeit über tausend Mark gekostet, also etliche tausend Euro heutiger Kuranz. Ich dachte, dass es vergleichsweise Sülzwurst ist, woran der Tonabnehmer hängt, solange sich der Teller gleichmäßig dreht und der Tonarm gut gelagert ist. Der aufmerksame Beobachter hat aber vermutlich schon ein gewisses Muster erkannt, an welchen Stellen mit dem Humor des Universums zu rechnen ist. Ich sah mich unversehens in der Situation, verschiedene Plattenspieler mit dem gleichen Abnehmer gegeneinander zu hören, und musste zu meiner Entrüstung feststellen, dass es nicht nur Unterschiede gab, sondern deutliche Unterschiede, die ich wiederholbar blind identifizieren konnte. Ich fluchte vernehmlich, mehrtägig und über alle meinem Stimmumfang zugänglichen Oktaven. Dann bestellte ich einen Rega P10 in einer unwahrscheinlich just in dem Moment daher kommenden Rabattaktion, den großen Bruder des P8, der nach meinen Ohren im Test deutlich die Nase vorn gehabt hatte. Warum dieses eher krude konstruiert wirkende Gerät so gut klingt oder so teuer ist, habe ich nie wirklich heraus gefunden. Ich gab mich mit der Erleichterung zufrieden, dass er auch mit meinem langjährigen Tonabnehmer-Favoriten, dem Nagaoka MP500, wunderbar zusammen spielt.
Phono-Vorverstärker
Seit meiner ersten, anfangs nur mäßig geglückten Kopie der EAR 834P früh in meiner Selbstbau-Karriere habe ich nicht wenig Arbeit in Neubauten und Verbesserungen gesteckt. Ich halte die Schaltung auch heute noch für ausgezeichnet und glaube, dass wenn man sie mit Liebe und Sorgfalt umsetzt, man sich über eine außergewöhnlich flexibele, stabile und wohlklingende Lösung freuen darf. Der Chinese fertigt eine sehr gute Platine. Über die Auswahl der Bauteile und Modifikationen gibt es einen annähernd paradeisisch perfekten Thread im Lenco Heaven Forum. Die große Schwachstelle der chinesischen Platine, das Netzteil, konstruierte ich neu in der für mich so typischen charmanten Overkill-Art. Das Ergebnis kann sich meiner Meinung nach ziemlich hören lassen. Wer sich auf die Grundlagen des Lötens und die Kunst des Löcherbohrens im Zahlenraum von 3 bis 10 mm versteht sowie sich im Besitz zweier freier Nachmittage sieht, kann hier ein paar tausend Euro sparen. Guter Stundenlohn, zumindest für meinesgleichen.
Röhren, CD-Player, Stromfilter, Kabel und der ganze dreckige Rest
Was noch zu sagen ist, ist es in wenigen Worten: Über die Auswahl von Röhren werden ganze Internetforen bis zum Giebel gefüllt. Meine ganz persönliche Empfehlung sind Leistungstrioden von Psvane aus der ACME Serie (Alternative: Elite Serie von Linlai), von der 310A gibt es nur die WE Version von Psvane. Kleinsignaltrioden kaufe ich von TJ Fullmusic. Wer sich in die spannenden Fluten von NOS Röhren (New Old Stock) werfen will, sei herzlich eingeladen.
Da der CD Player bei vorhandenem externem DAC wirklich nur die Scheibe liest, ist es völlig egal, welchen man nimmt – nur einen digitalen Ausgang muss er haben. Also, falls man denn überhaupt noch CD haben will. Mein Dreher steht seit seinem Kauf jungfräulich unbenutzt in der Heide.
Ein Stromfilter lohnt sich bei den meisten Triodenverstärkern, da klassische Röhrenverstärkernetzteile oft nicht toll im Filtern von Hochfrequenz-Krach im Strom sind, wie ihn in modernen Haushalten jedes billige Netzteil in den Stromkreis kotzt. Ein gütig überdimensionierter EI-Kern-Trenntrafo (1kVA) und Stromfilter nach dem bewährten Aufbau von Jon Risch machen zuverlässig Ruhe im Puff. Was der kommerzielle Markt bietet, weiß ich leider nicht.
Kaum ein Thema lässt die Gemüter in Hifi Kreisen so heiß laufen wie die Diskussion um Kabel. Am Ende bin ich dann doch Arzt und der wissenschaftlichen Methode verschrieben: Was nüchterne Theorie nahelegt, bestätigen alle ernsthaften Studien: Man kann Kabel nicht hören. Das gilt noch mehr für Stromkabel und Sicherungen wie für Signalkabel. Die Lautsprecher kriegen was mit ordentlichem Querschnitt (4 mm2), die Signalkabel sind anständig, ich habe ein paar Meter gutes Sommer NF Kabel günstig gekriegt und mir zurecht konfektioniert. Stecker sind vergoldet, damit sie nicht korrodieren. Fertig ist das Gartenhaus.
Was ich unterschlagen habe, ist das Hifi Regal. Ich war nach aller Recherche mit den Angeboten des Marktes vollständig unzufrieden und habe schließlich in meiner Not eines aus Eiche selbst geschreinert. Am Ende würde ich empfehlen, sich bei Kleinanzeigen einen schönen antiken Massivholzschrank zu suchen und ein paar Bretter rein zu spaxen. Unzufriedenstellend, ich weiß. Sie teilen diese Meinung mit mir und den Nachbarn, die einen ganzen Nachmittag mein Schleifen und meine exuberant in die Welt gelassene Freude über die diversen Stolpersteine des Projekts teilen durften.
Die Menge ihrer Teile – Die Orgasmusorgel erwacht
Wer an diesem Punkt nicht zu der Erkenntnis gelangt ist, dass der Artikel am Ende allen Versprechen von Magie und Metaphysik zum Trotz doch nur typographierte Masturbation zum Takt willkürlicher Techniktrümmer wäre, dem gelten meine Glückwünsche und mein herzlicher Dank. Ich will mich beeilen, endlich zu verraten, was die Summe dieser vielleicht erratisch wirkenden Bausteine ist. Wer den Klassiker Barbarella aus dem folgenträchtigen Jahr 1968 gesehen hat, wird sich vielleicht noch an die Lustmaschine erinnern, in die die illustre Protagonistin von Duran-Duran (dem Bösewicht, nicht der Band) gesperrt und gelustfoltert wird. Dieser Jahrhundertszene ist der Spitzname entlehnt, den ich dem eklektischen Gesamtkunstwerk schließlich gegeben habe. Warum, das erfahren Sie, sobald Sie sich ganz freiwillig in das davor stehende Sofa schnallen, fest in die Fänge der Traummaschine, die Lautstärke aufdrehen und dann die orgonischen Vibrationen Ihrer Lieblingsmusik über die Klaviatur herfallen lassen. Es ist endlich Zeit für Transzendenz.
Den Unterschied zwischen dieser Anlage und jeder anderen zu beschreiben, fällt mir überraschend leicht. Wo man bei den meisten Hifi Anlagen die mechanistische Natur erlebt, vielleicht Fehler und Unzulänglichkeiten feststellt, auf jeden Fall aber das Ding als solches klar als ein technisches Gerät erfasst, das mit Strom betrieben wird, der genau wie vom Erbauer vorgesehen, aber eben ohne Abweichung hiervon treu durch die Leitungen läuft, könnte das Erlebnis der Kombination Leistungstriode und Klipsch Cornwall nicht diametraler anders sein. Je länger man hört desto schwerer wird es zu glauben, dass der Maschine nicht ein lebendiger Animus innewohnt, so erkennbar organisch ist die Erfahrung. Der technische Vorgang wird von einem Erlebnis ersetzt, das auf den elektrisiert aufgestellten, erregten Nervenenden des gesamten Körpers spielt. Es ist, als sei die Maschine ein Wesen, dessen Lebenszweck es ist, mit dem sie hörenden Menschen eine perfekte Symbiose einzugehen. Eine Wand aus Klang umschlingt einen, durch alle Register voll und satt wie ein Bad in flüssigem Sonnenschein, wie eine allzu menschliche Umarmung. Ist die Wiedergabe analytisch? Wen zur Hölle interessiert sowas, wer stellt sollte schrumpfhirnigen Fragen? Macht die Augen zu und fallt in eines der größten Wunder dieser Welt – das verborgene Paradies, was im Hirn exklusiv vorgehalten wird für den hochgradig unwahrscheinlichen Moment, dass ihr es irgendwie an das Businessende einer Orgasmusorgel geschafft habt und jemand die richtigen Tasten drückt.
Keine andere Musikanlage hat bei mir jemals eine emotionale Antwort dieser Schlagkraft, diese insistive Transzendenz der kalten Technik ausgelöst – was der Grund ist, warum ich diesen Artikel fraglos, defintiv, zwingend schreiben musste, auch wenn er sich geradezu dagegen gesträubt hat und jahrelang allem Gutzureden zum Trotz nicht werden wollte. Im vollen Wissen natürlich, dass ich dem See der diffusen Meinungen nur eine weitere hinzugefügt und damit wohl keinen Beitrag zur systematischen Ordnung des Chaos geleistet habe. Chaos, so stellt sich leider raus, ist eine Entität, die sich bei Fragen des Gefühls nicht ordnen lassen will. Aber wenn man nur gewillt ist, sich auf einen Tanz mit ihm einzulassen, kann es Sterne gebären, Lichtregen, Musik.