Messer schärfen – Der Schärfvorgang und Schärfetests

Nachdem wir uns also Schleifsteine gekauft und diese möglicherweise gewässert haben, geht es ans Schärfen.

Ich hätte ja jetzt ein Video gemacht, wie man richtig schärft, aber besser als in diesem Video hätte ich es auch nicht demonstrieren können:

Der Koch zeigt eine perfekte Schärftechnik, die wichtigen Punkte werden kurz erklärt: Mit der einen Hand wird der Winkel gebildet, die andere bewegt sich mit dem Schleifbereich, stabilisiert und reguliert den Druck. Das Messer wird immer gleich von vorne nach hinten geschärft, damit überall der Abtrag gleich ist.

Man muss natürlich den Winkel der Schneidfase treffen. Dieser lässt sich für den Anfänger bestimmen, indem man mit einem Edding über die Schneide geht und dann ein paar Streiche auf dem Stein macht. Dann kann man sehen, ob man korrigieren muss oder ob der Winkel stimmte. Der Fortgeschrittene, gerade der, der die Schneidfase seiner Messer von vorneherein selber aufgebaut hat, kennt natürlich den Winkel seiner Messer, aber das braucht Training. Prinzipiell unterscheiden muss man zwischen beidseitig und einseitig angeschliffenen Messern. Bei normalen Messern mit doppelseitigem Anschliff wird von beiden Seiten gleich viel gearbeitet. Man erkennt sie daran, dass sie von beiden Seiten gleich aussehen. Einseitig angeschliffene Messer sehen von der einen Seite so, von der anderen dagegen glatt aus. Geschliffen wird bei solchen Messern zu 90% auf der ersteren Seite, danach wird die glatte Seite flach auf den Stein gelegt und der Grat mit wenigen Zügen abgezogen. Das deckt den ersten Punkt ab: Richtiger Schleifwinkel.

Der zweite Punkt ist dann die Frage, wie lange geschärft werden muss. Jeder Stein hinterlässt mikroskopische Schleifriefen in der Klinge. Der nächst feinere Stein muss also so lange benutzt werden, bis diese gröberen Riefen komplett entfernt und durch die feineren Riefen jenes Steins ersetzt worden sind. Man kann dies mit einer Lupe kontrollieren, man kann durch das Streichen mit dem Fingernagel auf der Gegenseite zur Schneide hin überprüfen, ob das Schleifen schon einen Grat aufgeworfen hat. Beides führt mehr oder weniger zum Ziel. Man kann es aber auch fühlen, was sicher nur durch Training erreichbar ist und am Anfang mit einer der ersten Methoden kombiniert werden sollte. Das Gefühl einer Klinge ändert sich auf dem Stein, wenn sie glatt geschliffen ist. Ein bisschen zu viel ist übrigens nicht wirklich schlimm, also gilt hier eher ein paar Züge zu viel als zu wenig. Das ist der zweite Punkt: Wie lange man schleift.

Der letzte Punkt ist die Kontrolle der Schärfe. Es gibt verschiedene Verfahren. Das Rasieren des Unterarms ist beliebt, sagt aber nicht viel aus. Aussagekräftiger ist die so genannte Nagelprobe: Man stellt das Messer auf den schräg gehaltenen Nagel. Bleibt es hängen, ist das ein Zeichen für gute Schärfe. Eine ähnliche Probe, die noch mehr Schärfe erfordert, ist das Stellen der Klinge auf eine schräge Kopfpartie mit Haaren. Wenn die Klinge dort stehen bleibt, ist sie wirklich scharf. Es ist ein Äquivalent zum Haarspalttest (ein ausgerissenes Haar 1cm über dem Haltepunkt frei schwebend durchtrennen), geht nur schneller, finde ich. Man muss natürlich bei beidem sehr vorsichtig sein. Ersteres ist übrigens die tatsächliche „Nagelprobe“; ob eine Klinge „nagelgängig“ ist, kann man auch mit dem Nagel prüfen; damit der Begriff „Nagelprobe“ aber nicht doppelt belegt ist, wird dies zumeist aber „Ringprobe“ genannt, da ein Schleifer sie auf dem Prüfring am Daumen ausführt (weil er sonst auf die Dauer seinen Nagel ruinieren würde). Diese ist ein Kontrolltest für die Güte des Dünnschliffs, nicht für die Schärfe. Ein frei gehaltenes Blatt Papier zu schneiden ist auch ein valider Test für die Schärfe. Je dünner das Blatt ist, desto schärfer muss die Klinge sein. Eine Tomate auf die Klinge fallen zu lassen ist ein klassischer „Show off“-Test. Da die Tomate gespalten und nicht geschnitten wird, ist es mehr eine Aussage über die Klingengeometrie als über die Schärfe der Schneide.

Eine letzte Anmerkung sei mir noch erlaubt: Das Abziehen von Messern auf Lederriemen bringt überhaupt nichts. Das hat irgendwann mal jemand von den Rasiermessern übernommen, ohne zu wissen, was es überhaupt tut. Bei diesen zieht man absichtlich einen Schneidgrat aus, der mit dem Leder aufgerichtet wird. Ein Küchenmesser hat nach dem richtigen Schleifen keinen solchen Grat. Wenn man irgendwelche abrasiven Pasten oÄ drauftut, macht es zwar das Messer etwas schärfer, aber da wäre ein feiner Stein ebenfalls die bessere Wahl, da er planer ist und daher nicht die Schneide ballig zieht. Diesem Problem kann man natürlich mit einem Stoßriemen wieder beikommen, aber ernsthaft: Kauft euch lieber einen schönen Finishstein, wenn ihr die Endschärfe wollt, das ist doch besser als Autopolitur.

Und jetzt geht los und probiert es aus. Es ist wirklich alles nicht so schwer, wie es scheint.

13 Antworten to “Messer schärfen – Der Schärfvorgang und Schärfetests”

  1. […] An erster Stelle steht eine einfache Einsicht: Auch die besten Messer werden stumpf. Messer europäischer Machart kann man mit einem Wetzstahl scharf halten, aber auch sie müssen irgendwann nachgeschliffen werden. Ein normaler Wetzstahl ist kein schleifendes Medium, sondern er richtet nur den Grat auf. Wer also lange Freude an seinen Messern haben will, sollte sich das Schärfen aneignen. ( → Einleitung Schärfen, Wahl des Schleifsteins, Schärfvorgang) […]

  2. Hartmut Says:

    Lieber Herr Grau,

    vom Messerschärfevirus erfasst, habe ich mir entgegen Ihrer Empfehlung: „Das Abziehen von Messern auf Lederriemen bringt überhaupt nichts“, für knappe 10 Neutronen gerade dieses Messerabziehpastenset bestellt, denn 111 fünf Sterne Kundenrezensionen können sich m. E. nicht irren:

    Inspiriert wurde ich dazu übrigens von diesem Video, welches optisch eindrucksvoll beweist, dass das Leder doch was bringt:

    Der Unterschied vor und nach dem Lederabziehen bei 80-facher Vergrößerung ist m. E. wie Tag und Nacht….

    • Herr Grau Says:

      Guten morgen Hartmut,
      erstmal muss man dringend einen Lederriemen ohne Polierpaste und mit Polierpaste auseinander halten. Ersteren habe ich bei Küchenmessern für nutzlos erklärt, dennoch finden sich etliche Leute, die ihn benutzen, weil sie nicht wissen, wofür ein Lederriemen bei Rasiermessern gut ist. Ein Lederriemen mit Polierpaste, wie Leo ihn dort auch benutzt, poliert die Klinge natürlich und zwar an direkt an der Schneide und einem zweiten Kontaktpunkt. Dabei wird die Schneide ballig gezogen. Ich empfehle dieses Vorgehen deshalb nicht, weil man keine Kontrolle über diese Balligkeit hat. Es ist meines Erachtens deutlich besser, kontrolliert eine Mikrofase anzuschleifen, wofür man auch kein zusätzliches Zubehör braucht. Weiter ist die Feinheit der Politur im Verhältnis zu einem 2000er Stein, der auch noch ein recht raues Schliffbild produziert, natürlich ganz eindrücklich. Wenn man da einen Finisherstein hinter geschoben hätte, hätte man kaum mehr Unterschied gesehen.

      • Hartmut Says:

        Lieber Herr Grau,

        diesen Satz verstehe ich nicht ganz:
        „Weiter ist die Feinheit der Politur im Verhältnis zu einem 2000er Stein, der auch noch ein recht raues Schliffbild produziert, natürlich ganz eindrücklich.“
        Meinen Sie damit, dass die Politurpaste von der Körnung her einem 2000er Stein ähnelt?

        Interessant ist im Zusammenhang mit der endgültigen Gratentfernung (und was John Wayne damit zu tun hat) die Erkenntnis von Mr. Global Mino Tsuchida – dem Messerschärfpapst Japans – in diesem Lehrvideo ab Minute 15:45:

        Auch er hat offenbar festgestellt, dass ein Stein den Grat nicht vollständig entfernen kann.

      • Herr Grau Says:

        Guten Abend,
        ich meine damit, dass der Stein, mit dem die Riemenpolitur verglichen wird, ein 2000er-Schliffbild hinterlässt. Sagt Leo auch genauso.

        Was Minu Tsuchida dort demonstriert, ist das Abziehen des Grates. Das ist etwas anderes als das Polieren der Schneide mit einem Pastenriemen. Den Grat kann man auf Holz, mit einem Korken, auf Leinen etc. pp. oder auch mit einem Stein abziehen. Er möchte es nur so einfach wie möglich machen und zeigt daher diese Technik.

  3. Hartmut Says:

    Sorry, lieber Herr Grau,

    aber Leo schreibt hier unter „Schritt 5: Grat entfernen“, dass der Grat eben nur mit dem Lederriemen und Abziehpaste drauf entfernt werden kann, von polieren ist in diesem Schritt nicht die Rede:
    http://www.messer-machen.de/schaerfen/schaerfen-in-kurzfassung/schaerfen-in-kurzfassung.html
    Polieren wäre es m. E. wenn auf dem Leder keine Abziehpaste aufgetragen wird.

    • Herr Grau Says:

      Das Zeug heißt nicht Abziehpaste, sondern Polierpaste… Man kann mit einem Pastenriemen den Grat abziehen, aber eben auch mit fast allem anderen. Die herausstechende Eigenschaft des Pastenriemens ist .. die Polierpaste.

      • Hartmut Says:

        Sorry, lieber Herr Grau,

        aber wenn das keine Abziehpaste ist, was lesen Sie dann auf dem Etikett rechts neben Polierpaste?:

        Einigen wir uns doch darauf, dass es beides ist, sonst würde es ja auch nicht auf dem Etikett stehen. Auch der Scherenkauf-Shop spricht auf seiner Website von Feinabziehpaste. Weiter wird erwähnt, dass der reine Lederriemen zwar auch den Grat entfernt, aber mit der Feinabziehpaste das Ergebnis um ein Vielfaches verbessert wird. Und das ist doch letztlich, was zählt.
        Mit welcher Steinkörnung könnte man denn nach Ihrer Erfahrung das gleiche Ergebnis erzielen? Das von Ihnen erwähnte kontrollierte Anschleifen einer Microfase wäre ja ein Argument, es auch mal mit einen feinen Stein zu versuchen. Vermutlich wird aber in der Schärfe am Ende kaum ein Unterschied feststellbar sein. Was m. E. nicht zuletzt für das Lederabziehpastenset spricht, ist der Preis. Einen sehr feinkörnigen Stein wird es wohl kaum für 10,- € geben. Selbst wenn der von Ihnen empfohlene Honyama Bruchstein dafür geeignet wäre, kostet der immerhin auch noch mehr als das Dreifache…

      • Herr Grau Says:

        Was ein Händler auf seine Etiketts schreibt, kümmert mich nun gar nicht. Das ist technisch gesehen eine Polierpaste und daran gibt es auch nichts zu rütteln.
        Ein reiner Lederriemen entfernt NICHT den Grat, bzw nur nach aberhundertfachem Gebrauch. Ein Lederriemen ist für eine feine Schneide das, was ein zugloser Stahl für ein Küchenmesser ist: Ein Medium, das die Schneide aufrichtet.
        Ein feiner Stein oberhalb ab 6k aufwärts bringt ähnliche Ergebnisse. Mit diesem kann man die gesamte Schneidfase polieren, den Grat abziehen und kontrolliert eine Mikrofase anschleifen. Meines Erachtens sind das Vorteile. Jeder kann machen, was er will; ich würde mich nur erst um Verständnis bemühen, was welches Schleifmittel wo genau tut und weshalb es deswegen bestimmte Vor- und Nachteile hat. Es scheint da auch seitens meiner Artikel Bedarf für einen größeren Informationsumfang zu geben. Ich hatte die drei Artikel zum Schleifen absichtlich kompakt gehalten, um Anfänger nicht abzuschrecken. Vielleicht schreibe ich nochmal eine Vertiefung, so ich Zeit finde.

  4. Lieber Herr Grau,

    vielen Dank für die ausführliche Antwort. Und ja, ich würde es begrüßen, wenn Sie das Thema Schleifen auf Ihrem Blog vertiefen. So liest man beispielsweise über die Mikrofase recht wenig im Web.
    Übrigens: Eine sehr anschauliche Darstellung der Schneide nach der Behandlung mit unterschiedlichen Schleifsteinkörnungen habe ich zufällig hier entdeckt:
    http://www.japanische-kochmesser.ch/shop_content.php/coID/0/content/Schleifsteine-Schleifbild
    Sehr eindrucksvoll, finde ich.

  5. Ein schöne Schleiftrilogie hast du da zusammengestellt – vielen Dank. Ich war übrigens der Typ, der vor über einem Jahrzehnt diesen ganzen „Bunkaboocho-Trend“ mal (ungewollt) angestoßen hat.

    Dabei war ich doch nur auf der Suche nach einer bestimmten Messerform, seinerzeit im Messerforum. Nach einem Hinweis, doch mal bei Tosa-Hocho nachzufragen, war wohl nicht nur der dortige Distributor überrascht von der hereinstürzenden Nachfrage, welche nun bis heute anhält.

    Ist auch nachvollziehbar: Das Messer ist einfach der Hammer! Und Topic-bezogen: 1000er Körnung und Stoßriemen mit Stahlfix (Anpressdruck = Etwas über Eigengewicht des Messers) reicht.

  6. Juergen Says:

    Hallo, Herr Grau,
    erst mal vielen Dank für Ihre aufwändigen Untersuchungen und Beschreibungen, finde ich hoch interessant.

    Bei Ihnen finde ich ausschließlich Hinweise auf (überwiegend Nass-)Schleifsteine.
    Was halten Sie von den Diamantschleifsteinen von DMT, die speziell von einem Anbieter, der selbst auch Messer herstellt, auf Youtube empfohlen werden?
    Lieber Gruß
    Juergen

    • Herr Grau Says:

      Hi. Diamantplatten sind sehr gut, wenn man Messer komplett von Hand hochschleifen möchte oder oft stark beschädigte Messer ausbessern muss. Für das normale Schärfen mag ich sie weniger als Steine, denn erstens finde ich das Schleifgefühl unschön und zweitens – deutlich objektiver – schneiden sie so derart schnell, dass jeder kleine Fehler sofort einen relativ großen Schaden anrichtet.

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